Stimmen aus dem Exil (10/10) | „In Belgrad habe ich mir ein Leben aufgebaut, das Sinn macht“

Marina hat schon seit 2020 darüber nachgedacht, Russland zu verlassen, denn sie war überzeugt, dass sich die Situation dort verschlechtern würde. Nach der russischen Invasion in der Ukraine ist sie nach Belgrad ausgewandert. Dort baut sie nach und nach gemeinsam mit Gleichgesinnten eine Exil-Community auf, deren wichtigste Werte gegenseitiger Respekt und Toleranz sind.

Von Marina (übersetzt von Annika Will)

© CdB / Bruno Tolić

Dieser Text ist auch auf Russisch, Französisch und Serbisch verfügbar.


Der Krieg in der Ukraine hat Millionen Menschen ins Exil getrieben. Ukrainer:innen, aber auch Menschen aus Russland und Belarus, die vor dem Moskauer Regime fliehen und in Serbien Zuflucht gefunden haben. Wie blicken sie auf ihre aktuelle Situation ? Wie erleben sie das Exil und ihre vielleicht endgültige Ausreise ? Hier kommen sie zu Wort.

Ich heiße Marina. Ich bin vor 8 Monaten nach Belgrad umgezogen und inzwischen fühle ich mich in dieser Stadt zu Hause. Ich habe Linguistik studiert und später im Kundenservice und im Tourismusbereich gearbeitet. Was ich am allerliebsten mache ist, an ungewöhnliche Orte der Welt zu reisen, und so habe ich dieses Hobby letztendlich zu meinem Beruf gemacht. Ich war schon in 45 Ländern – sehr exotischen Ländern oft – und ich liebe es, mein Wissen und meine Reiseerfahrungen mit anderen zu teilen. Ich habe lange in der Tourismusbranche gearbeitet, meine Aufgaben reichten von der Verkaufsassistentin bis zur Produktmanagerin. In Indien und Myanmar war ich sogar Reiseleiterin für Touristengruppen mit Reiserouten, die ich selbst geplant hatte.

Ich habe es noch nie gemocht, in Russland zu leben, ich wollte schon immer irgendwohin, wo die Winter milder sind, und wo die Menschen öfter lächeln und respektvoller sind. Das ganze Jahr 2020 war sehr nervenaufreibend : Die Auflösung des Parlaments, die Pandemie, die Aussetzung der Verfassung, die Affäre um Ivan Gulov, die absurden neuen Gesetze, die der „verrücktgewordene Drucker“ druckte (so nannten wir unser Parlament in seinem gesetzgeberischen Über-Aktionismus), gefälschte Wahlen in den Regionen, die zunehmende Abschottung des Internets, die Vergiftung von Alexej Nawalny...Das Land zitterte, die Situation wurde immer angespannter. Das war das Jahr, in dem ich anfing, darauf zu achten, wie stark der Grad an Absurdität gestiegen war. Das Overton-Fenster wurde weiter aufgestoßen, die Grenzen des Sagbaren und Akzeptierten immer mehr verschoben. Gesetze, die noch vor drei, vier Jahren unvorstellbar waren, sind verabschiedet worden. In meinem Freundeskreis hatte ich jedoch das Gefühl, die Einzige zu sein, die deshalb regelmäßig Panikattacken hatte. Ich erinnere mich an eine Unterhaltung darüber, ob es möglich wäre, Russland vom internationalen Bankensystem zu trennen, und ein paar sehr kluge Leute waren fest davon überzeugt, dass das unmöglich wäre, weil es zu viel Unzufriedenheit mit sich bringen würde und die Behörden sich dafür viel zu sehr vor Protesten fürchten. Meine Freunde waren wie Frösche in einem brennenden Topf, die gar nicht merkten, wie schnell sie weich gekocht wurden.

Im Januar 2021 wurde Nawalny gleich nach seiner Rückkehr nach Russland verurteilt. Die Unverfrorenheit, mit der die Behörden vorgegangen sind, hat mich tief getroffen. Das war der Moment, in dem klar wurde, dass sie vor wirklich gar nichts mehr Angst hatten. Ich verstand, dass es kein echtes Gegengewicht mehr gab. Und das hieß, dass die Dinge nur noch schlimmer werden würden. Ich habe verstanden, dass dieser Prozess unumkehrbar war und es nur noch eine Frage der Zeit sein würde, bis Russland ein echter Polizeistaat wird.

Ich war damals standesamtlich verheiratet, Kinder hatten wir keine, das stand aber kurz bevor. Mein Partner und ich haben ein schwieriges Gespräch geführt. Ich habe darauf bestanden, dass wir so bald wie möglich auswandern. Eine meiner größten Sorgen war, dass die Behörden das Reisen erschweren und das Internet sperren würden, und wir nicht mehr auswandern könnten, sondern übereilt fliehen müssten. Dann würden wir unter Bedingungen fliehen müssen, die noch viel komplizierter wären, als sie es durch die Pandemie sowieso schon waren. Mein Partner glaubte jedoch nicht, dass es so schlimm kommen könnte.

Am Tag der Abreise bin ich allen Nachrichtenseiten entfolgt. Nun, da ich einen Schritt Richtung Auswanderung gemacht hatte, entschied ich, dass ich mich nicht mehr von den Nachrichten nervös machen lassen wollte.

Wir fanden trotzdem einen Kompromiss. Mein Mann akzeptierte widerwillig, auszuwandern, jedoch unter der Bedingung, dass wir vorher alles sorgfältig vorbereiten. Dazu gehörte auch eine „Marktanalyse“ der jeweiligen Länder und ein vorheriger Erkundungsaufenthalt von mehreren Wochen. Ich begann, eine Liste mit für uns lebenswerten Ländern anzulegen. Anfangs standen 40 Länder darauf, ich habe sie nach einer Reihe festgelegter Kriterien eingestuft, dazu gehörte etwa, wie einfach man dort legal einreisen und leben konnte, die Einstellung der Bevölkerung zur Institution der Familie, die Nähe von Sprache und Mentalität. Serbien gehörte anfangs nicht zu den Top 5-Ländern dieser Liste (weil es dort keine Möglichkeit einer doppelten Staatsbürgerschaft gab – für meinen Partner war es wichtig, die russische Staatsangehörigkeit nicht aufzugeben). Die Top 3 der Länderliste waren Portugal, die Philippinen und Argentinien. Der nächste Schritt sollte es sein, in eines dieser Länder zu reisen und dort mehrere Wochen lang zu leben, um zu sehen, ob wir uns das auf lange Sicht vorstellen könnten. Doch die Grenzen dieser drei Länder waren damals dicht, also beschlossen wir, in eins der nächsten Länder auf der Liste zu gehen. So kamen wir nach Serbien.

Am Tag der Abreise bin ich allen Nachrichtenseiten entfolgt. Nun, da ich einen Schritt Richtung Auswanderung gemacht hatte, entschied ich, dass ich mich nicht mehr von den Nachrichten nervös machen lassen wollte. Im Mai kamen wir in Serbien an – der beste Moment, um das Land zu erkunden, wir sind drei Wochen lang gereist und waren total fasziniert. Eine wunderschöne Natur, freundliche Menschen, bezahlbarer Wohnraum und mehr Ruhe und Gelassenheit dank eines naturnäheren Lebens. Wir sagten uns, dass man so eine Chance nicht zweimal im Leben bekommt und entschieden uns, in Serbien zu bleiben. Wir verbrachten einiges an Zeit damit, zu analysieren, ob Serbien denselben Weg gehen könnte wie Russland, denn wir sahen sehr viele Analogien zwischen Putin und Vučić. Aber nach Gesprächen mit Menschen von dort und anderen Ausgewanderten kamen wir zu dem Schluss, dass wir keine Angst haben müssen : die Europäische Union würde das nicht zulassen.

Wir entschlossen uns, nach Novi Sad zu ziehen. Wir wollten um die Neujahrsfeiertage umziehen, doch dazu ist es nie gekommen, denn wir haben uns getrennt. Man könnte meinen, in diesem Moment hätte das Auswanderungsprojekt für uns beide geendet : allein hatte ich weder das Geld noch den Mut, umzuziehen, und für meinen Partner gab es keine Notwendigkeit, weil er ja nicht glaubte, dass die Situation sich in irgendeiner Weise verschlimmern würde.

Am 24. Februar 2022 hat die Realität uns beide eingeholt. Ich, die ich zu diesem Zeitpunkt seit etwa einem Jahr keine Nachrichten mehr verfolgt hatte, erfuhr vom Beginn des Krieges durch seine von Panik erfüllte Nachricht : „Wie fühlst du dich ? Ich fühle mich verloren, schockiert, verängstigt.“ Verwirrt machte ich mich daran, in den sozialen Netzwerken zu lesen, was los war. Meine gesamtes soziales Umfeld war entweder dabei, mit den eigenen Gefühlen fertig zu werden, oder wer psychisch stärker war, entschied schon in dem Moment, Russland zu verlassen. Ich habe drei Tage gebraucht, um zu entscheiden, dass auch ich das tun würde. Wohin, das war für mich keine Frage mehr. Serbien war schon lange in meinem Herzen. Was ich dort machen würde, war alles andere als klar, aber ich entschied, dass es besser wäre, dort mein Glück zu versuchen und ein neues Leben zu beginnen, als zu bleiben und in Russland in die unweigerlich dunkle Zukunft zu blicken. Für ein One-Way-Ticket nach Belgrad habe ich doppelt so viel bezahlt wie für den Hin- und Rückflug nach Madagaskar einige Jahre zuvor. Es war schmerzhaft, sich von so viel Geld auf einmal zu trennen, aber ich mir war klar, dass die Freiheit diesen Preis wert war. Die nächsten Tage waren die Hölle : Ich habe meine Wohnung verkauft, fuhr kreuz und quer durch ganz Moskau und versuchte, Bargeld abzuheben und traf mich schließlich mit Freunden, wobei ich versuchte, Ruhe zu bewahren – was angesichts der Nachrichtenlage schwierig war (es war unmöglich, keine Nachrichten zu lesen). Zwei Wochen nach Kriegsbeginn flog ich nach Belgrad.

Dann hörte ich den Satz „Die Umwelt bestimmt das Bewusstsein“, er ist seitdem zum Leitmotiv meines Lebens geworden.

Sofort nach meiner Ankunft fing ich an, Kontakte zu knüpfen. Für mich war es keine Frage, dass soziales Kapital viel wichtiger war als materielles Kapital. In den vier Monaten, die zwischen meiner Scheidung und meiner Flucht aus Russland vergangen waren, habe ich es geschafft, neue Freunde zu finden und war sehr erstaunt, zu sehen, wie sehr ich mich unter ihrem Einfluss verändert hatte. Dann hörte ich den Satz „Die Umwelt bestimmt das Bewusstsein“, er ist seitdem zum Leitmotiv meines Lebens geworden. Mir wurde klar, dass ich den Weg, den ich nehmen würde, kontrollieren kann, indem ich bewusst auswähle, mit welchen Menschen ich mich umgebe. In Belgrad musste ich dieses Umfeld neu aufbauen.

Jeden Tag traf ich neue Leute, immer auf der Suche nach den „Meinen“. Gleichzeitig suchte ich nach Menschen, mit denen zusammen ich ein Haus mieten könnte : Allein leben ist langweilig und teuer. Ich bin extrovertiert und liebe es, mit vielen verschiedenen interessanten Leuten zusammen zu sein. Ich habe zwei Typen gefunden, und zusammen haben wir ein großes Haus im Zentrum von Belgrad gemietet. Was wir da umgesetzt haben, nenne ich „Co-Living“ – davon, dass man nur die Miete teilt, unterscheidet es sich darin, dass es nicht nur ums Geld geht, sondern darum, auf eine andere, weniger langweilige Art zu leben. Das heißt nicht unbedingt, dass wir uns sehr nahe stehen. Unser Alter, unser Lebensstil und unsere Interessen sind sehr unterschiedlich. Aber wir werden uns immer sehr schnell einig und bereichern das Leben der jeweils anderen. Wir teilen die Miete abhängig von den bewohnten Quadratmetern und die restlichen Rechnungen zu gleichen Teilen.

Unser Haus hat drei bewohnte Zimmer und einen weiteren riesigen Raum. Wir haben entschieden, ihn nicht zu vermieten, sondern ihn als Gemeinschaftsraum und für Veranstaltungen zu nutzen. Kuschelpartys haben mir in Belgrad wirklich gefehlt, also Treffen, bei denen sich Menschen umarmen und einfach menschliche Wärme und Oxytocin miteinander teilen (was in diesen schwierigen Zeiten besonders wichtig ist). Dieses Veranstaltungsformat habe ich ein paar Monate vor meiner Abreise aus Moskau kennen gelernt und nun vermisste ich die Energieschübe, die ich immer hatte, wenn ich von dort zurückkam. In Belgrad gab es so etwas nicht, also habe ich sie selbst organisiert. Bislang hatten wir vier solche Abende, aber das ist nicht das Wichtigste.

Das Erstaunlichste ist, dass ich in nur ein paar Monaten Coliving eine Gemeinschaft von Leuten zusammengebracht habe, mit denen es einfach und interessant ist und Spaß macht, zusammen zu leben. Anfangs war diese Community eine Möglichkeit, Probleme zu lösen und jemanden für meine jeweiligen Anfragen zu finden : „Ins Kino gehen“, „eine Schulter, um sich auszuheulen“. Aber später habe ich gemerkt, dass all die Menschen, aus denen diese Community besteht, so einige rare Eigenschaften gemeinsam haben : die Ehrlichkeit mit sich selbst und anderen, die Auseinandersetzung mit sich selbst und ein Interesse für tiefgründige, echte Kommunikation. Das Wertvollste, was wir haben, und was uns von den vielen anderen Expat-Communities in Belgrad unterscheidet, sind unsere Transparenz und die Möglichkeit, man selbst zu sein. Konkret bedeutet das, wer auch immer aus der Gruppe „unangenehme“ Gefühle mir gegenüber hat – Ärger oder Aggression – ist es nicht nur möglich, sondern auch willkommen, mit mir (gewaltfrei) darüber zu sprechen. Letztendlich kann ich nur so sicher sein, dass ich es mit einer echten Person zu tun habe, und nicht mit einer gesellschaftlichen Maske, und nur mit einem solchen Umgang miteinander können wir alle wir selbst sein.

Die Wichtigkeit einer Umgebung, in der man ohne eine solche Maske miteinander kommunizieren kann, und in der wir so akzeptiert werden, wie wir sind, kann man gar nicht überschätzen. In den vier Monaten, seitdem es diese Gemeinschaft gibt, ist die Persönlichkeit von jedem Einzelnen von uns enorm gewachsen, eben genau weil es möglich ist, über alles zu reden, was uns bewegt, und Unterstützung zu finden. Wir alle legen viel Wert auf die Qualität der von uns entwickelten Kommunikation. Wir treffen uns oft und verbringen Zeit miteinander, spielen Gesellschaftsspiele, brainstormen, finden neue Ideen und helfen uns gegenseitig, unsere Ziele zu erreichen, machen Kochabende und Kuschelpartys. Manchmal reisen wir zusammen. Bei all diesen gemeinsamen Aktivitäten haben wir große Freude an der Kommunikation miteinander und im Allgemeinen über das Leben. Diese Gruppe ist inzwischen so etwas wie meine Familie. Bislang sind wir etwa ein Dutzend Leute, aber ich denke, wir könnten noch mehr werden, ohne die Qualität des Austauschs zu verschlechtern.

Da diese Community das Ergebnis meiner bewussten Bemühungen ist, ist mir klar geworden, dass ich das nötige Wissen, um qualitativ hochwertige Beziehungen aufzubauen, an andere Menschen weitergeben kann. Zusammen mit anderen Mitgliedern unserer Gemeinschaft setzen wir gemeinsame Projekte zum Kontakt mit uns selbst und anderen um – diese Dinge geben jedem von uns in turbulenten Zeiten Kraft. Meine Freundin Olja und ich haben zum Beispiel einen Online-Kurs ins Leben gerufen, wo wir mit allen, die Lust haben, die Praktiken und Techniken teilen, die uns selbst geholfen haben, dieses Gleichgewicht zu finden. Meine Freundin Vanja und ich bauen eine sexpositive Community auf, wo man seine Sexualität erkunden kann, ohne Angst zu haben, verurteilt zu werden. Es gibt auch Pläne, einen weiteren Projektort zu finden und ein Projekt, das dabei helfen soll, das Leben in den kleinen Dingen, die uns umgeben, zu genießen. Bisher haben wir all diese Projekte auf Russisch für Menschen, die Russisch können, umgesetzt, aber sobald wir die serbische Sprache und die kulturellen Codes hier ausreichend beherrschen, werden wir auch interkulturelle serbisch-russische Veranstaltungen organisieren.

Die Serben sind unglaublich herzliche Leute, mit einer für Russen leicht nachvollziehbaren Mentalität und der gleichen Vorstellung von Freundschaft. Ich habe bereits einige enge Freunde, die Serben sind, und mich sehr herzlich bei sich aufgenommen haben. Ich stelle sie meinen russischen Freunden vor und freue mich, zu sehen, wie ihre Lebensqualität durch diese Interaktion steigt. Ich mag es, zu sehen, wie ich dazu beitragen kann, dass sich Dinge verbessern – wenn schon nicht auf der Welt, dann wenigstens im Kleinen, hier in Belgrad.

Dass ich jemals nach Russland zurückkehren werde, ist sehr unwahrscheinlich. Denn in Serbien habe ich schon jetzt ein neues Leben, das ich meinen Werten und Wünschen entsprechend so gestalte, wie ich will.

Dass ich jemals nach Russland zurückkehren werde, ist sehr unwahrscheinlich. Denn in Serbien habe ich schon jetzt ein neues Leben, das ich meinen Werten und Wünschen entsprechend so gestalte, wie ich will. In Belgrad wache ich jede Morgen auf und spüre, dass ich tief atme und dass ich mein richtiges Leben lebe – in Moskau habe ich ein solches Gefühl nie gehabt. Und ich bin froh, dass ich unter diesen Umständen in Serbien gelandet bin, selbst wenn Russland hier unterstützt wird. Ich sehe, dass die Serben eher anti-NATO als pro-Putin sind, daher sehe ich ihre Unterstützung eher als Unwissenheit denn als Aggression.

In Moskau habe ich noch einen einzigen engen Freund, der aus finanziellen Gründen das Land nicht verlassen kann. Er ist der einzige Grund, warum das, was dort passiert, mir Sorgen macht. Ansonsten spüre ich fast keine Verbindung mehr mit Russland. Die Russinnen und Russen, denen ich mich nahe fühle, gehören zu einer Community, die über unterschiedliche Länder verteilt lebt. Die meisten meiner Verwandten werden mit Propaganda bombardiert und ich hab keine Lust, den Kontakt zu ihnen zu halten. Leider erwartet diejenigen, die bleiben, eine düstere Zukunft. Und auch, wenn das Putin-Regime in den letzten Atemzügen liegt (ich glaube nicht, dass es noch mehr als ein Jahr dauern wird), wird Russland sich nach seinem Fall noch lange mit den Folgen dieses schrecklichen Krieges auseinandersetzen müssen, vermutlich jahrzehntelang. Ich möchte nicht ein Russland wiederaufrichten, das am Boden zerstört ist, wie diejenigen sagen, die bewusst dort geblieben sind. Mir bleiben noch ein paar Jahrzehnte Lebenszeit, und ich weiß inzwischen sehr genau, wie ich leben möchte : In einem tiefen, qualitativen Austausch mit anderen. In Russland ist das angesichts der Haltung des Staates in Bezug auf die bürgerlichen Freiheiten unmöglich.

Ich bin mir sicher, dass letztlich alle dasselbe wollen : Liebe, Unterstützung und Akzeptanz. Und ich tue im Rahmen meiner beschränkten Möglichkeiten, was ich kann, um mit dieser Botschaft so viele zu erreichen wie möglich. Ich hoffe, dass diese einfache Wahrheit eines Tages auch für diejenigen offensichtlich werden wird, die bisher noch ihre individuellen Ziele über alles andere stellen.

Dieser Artikel wurde mit freundlicher Unterstützung der Schweizer Botschaft in Belgrad und der Heinrich-Böll-Stiftung in Serbien veröffentlicht.